Brigitte Kowanz gehört zu den international bedeutendsten Vertreterinnen der Lichtkunst. Seit den 1980er-Jahren verbindet sie Licht und Sprache zu einprägsamen Bildformeln, in denen das Informationspotential beider Komponenten ebenso visualisiert wird wie der formalästhetische Wert von Sprache und die Eigenständigkeit des Phänomens Licht. Neon – als Schriftzug oder zeichnerische Linie – und Spiegel gehören dabei schon lange zu ihren wichtigsten Materialien.
Reflektierende Oberflächen setzt Kowanz oft ein, um die magische Anziehungskraft des Lichts zu verstärken, so auch in der neuen Serie der «Reflects»: Aus Aluminium, Reflexionsfolie und Transparenzlack bestehend, interagieren sie mit dem Umgebungslicht und betonen seine malerische Qualität. Gleichzeitig dienen Reflektionen ihr oft dazu, das Publikum zu integrieren und die Aussage einer Arbeit zu pointieren – etwa bei der fast schwindelerregenden Bodenskulptur «Tipping Point»: Mit dem titelgebenden Ausdruck wird generell ein Kippmoment in einer zuvor gleichförmigen Bewegung bezeichnet, heute allerdings steht der Begriff häufig in Bezug auf die Klimaerwärmung.
Besonders freut es uns, neben weiteren aktuellen Arbeiten von Kowanz auch ein Werk aus den 1990ern zu präsentieren, das, bestehend aus Glimmlampen und Verteilerstecker, die Anfänge ihrer Auseinandersetzung mit dem Medium Licht veranschaulicht.
Bei Haroon Mirza tritt Licht oft innerhalb komplexer Installationen aus ganz unterschiedlichen Materialien in Erscheinung. Der britisch-pakistanische Künstler ist international bekannt dafür, dass er Elektrizität Licht, Klang und Objekte zu sensorisch vielschichtigen Erlebnissen orchestriert. Charakteristisch hinzu kommt oft ein interaktives Moment – anders als bei Kowanz nicht mittels Spiegeln, sondern indem beispielsweise Strom- oder Lichtimpulse, manchmal auch die Bewegung der Betrachtenden, verändernd auf das Werk einwirken. Die «Solar Powered LED Circuit Compositions» in unserer Ausstellung beispielsweise reagieren auf Lichteinfall und wurden zudem durch Elektrizität geprägt, die durch psychoaktive Pilze geflossen ist.
Psychoaktive Pflanzen spielen auch in der ortsspezifischen «Platform for Breathing» eine Rolle, die Mirza eigens für unsere Galerie realisiert hat. Mit der «Vertonung« von elektrischen Impulsen, die gleichzeitig in unterschiedlich farbig aufscheinenden LED-Lichtern sichtbar gemacht werden, steht das Werk exemplarisch für die Annäherung an eine synästhetische Wahrnehmung, die Mirzas Werk immer wieder simuliert. In diesem Kontext haben schliesslich auch die psychoaktiven Gewächse als bewusstseinserweiternde Rauschmittel ihren Platz.
Um die Wahrnehmung – konkret um die physikalische Grundlage unseres Farbsehens – geht es schliesslich auch in den «Light Works», bei denen Mirza mittels roter, grüner und blauer LED-Streifen die verblüffende Essenz des RGB-Farbraums veranschaulicht: Dort, wo der Schein der drei Farben aufeinandertrifft, entsteht weisses Leuchten.
Unsere Ausstellung eröffnet so einen weitläufigen Denkraum sowohl zur variablen Erscheinung des Lichts (in der Kunst), als auch zu seiner vielschichtigen Bedeutung für den Menschen und seine Wahrnehmung.
Deborah Keller