Die Serie der «Folded Flats», die de Ganay in den letzten drei Jahren fortlaufend weiter entwickelte, nimmt innerhalb seines Œuvres eine wichtige Stellung ein und ist für seinen künstlerischen Ansatz exemplarisch: Die reliefähnlichen Wandobjekte aus uni- oder zweifarbigen Aluminiumplatten sind nach Art des Origami mehrfach eingeschlagen. Sie wirken spielerisch und erinnern an «Shaped Canvasses» genauso wie an alltägliche Papierfaltungen, wobei das offensichtlich starre und nicht sogleich identifizierbare Material der Skulpturen diesen Vergleich unterwandert. Dennoch stellt sich unweigerlich eine Idee von der Gestik ein, die zum Kunstwerk führte, und es ist just dieses partizipative Moment, auf das de Ganay abzielt.
Besonders plastisch erscheinen die Faltgesten vor dem inneren Auge bei einer Sequenz von mehreren Objekten, die das kontinuierliche Zusammenfalten einer zunächst planen Fläche veranschaulichen. Der Künstler bezieht sich mit diesem Ensemble auf den berühmten Urvater der Chronofotografie Eadweard Muybridge, der durch unzählige Einzelaufnahmen Bewegungsabläufe von Mensch und Tier erforschte. De Ganay hingegen erkundet mit seinen Objekten unsere «gedankliche Agilität» und konfrontiert uns mit «stills of sculpted time» (de Ganay).
Die neuen «Flip Flop Folded Flats», die dank Interferenzlack magisch schimmern, verlangen nebst der mentalen auch eine physische Interaktion: man muss sich vor ihnen hin und her bewegen, damit man die ganze darin enthaltene Farbpalette entdeckt.
Die Bodenskulpturen der «non-place»-Serie schliesslich zielen erneut auf unsere Vorstellungskraft ab: Jeweils zwei aus Aluminium nachgebildete Kartonboxen sind so ineinander geschoben, dass sie an der betreffenden Stelle nahtlos verschmelzen. In dieser Übergangszone entsteht ein Raum, der sich dem Betrachter nie vollständig erschliesst, der keine eigenen Konturen besitzt – ein «non-place». Im Titel der Objekte ist bereits angezeigt, dass der undefinierbaren Zone ein metaphorischer Wert zukommt: de Ganay verweist damit auf die «Nicht-Orte» unserer globalisierten Welt, die der Anthropologe Marc Augé 1992 benannt hat – Kaufhäuser, Autobahnen, Flughäfen, Wartehallen. Es sind Orte, die vom kurzzeitigen, wandelbaren Zusammentreffen verschiedener Realitäten und von Identitätslosigkeit geprägt sind.
Es sind verschiedene raum-zeitliche Fragestellungen, angeregt von geopolitischen, kunstgeschichtlichen und sozialen Kontexten, die Sébastien de Ganays Werke in unserer Ausstellung im Haus 2226 visualisieren. Erstaunlich ist, wie der Künstler diese komplexen Themen mit einer erfrischenden Leichtigkeit zu ästhetisch reizvollen Werken verdichtet, die uns zu einem lustvollen Dialog einladen.
Deborah Keller, Häusler Contemporary